Samstag, 23. April 2011

Feiertagsfrust

Diese Aktion finde ich gut und richtig. Ich bin Atheist, christliche Feiertage bedeuten mir nur als Zeiten der Familieneinkehr und Ruhe für sich selbst etwas. Unser Land ist durch und durch christlichen Traditionen unterworfen und durch diese geprägt, aber das bedeutet noch lange nicht, dass diese nicht reflektiert werden dürfen.

Damit meine ich die persönliche Reflektion durch jeden einzelnen Menschen und nicht die durch den Staat. Ich möchte frei sein in meiner Entscheidung, tanzen und feiern zu gehen wann und wo ich will. Jede/r möge nach eigener Facon glücklich werden und wer den Karfreitag (oder jeden anderen für sich bedeutenden Feiertag) in aller Beschaulichkeit und Stille begehen möchte, der möge dies tun.

Dieser Mensch kann sich doch aber schlecht von mir tanzend in einer Diskotheke religiös angegriffen und verletzt fühlen (schließlich wird er diese Karfreitag nicht aufsuchen). Mit welchem Recht werden hier also meine freien Entfaltungsmöglichkeiten beschnitten? 

Säkularität ist für mich ein staatstragendes Prinzip. Glaube ist etwas fundamental persönliches, es kann kein Einheitskonzept dafür geben und der Versuch ein solches mit so seltsamen Regelungen wie dem Tanzverbot zu schaffen, widerspricht für mich dem kategorische Imperativ, "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde" (Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten) und damit dem Kern der deontologischen Ethik (die ich im Allgemeinen favorisiere; diese Form der Ethik fragt nach der moralischen Pflicht einer Handlung, laut Kant ist dabei der Ursprung der Moral die Vernunftfähigkeit des Menschen - ergo Handeln nach eigenem Wissen und Gewissen).

Nicht nur beschneidet dieses Verbot die Rechte Andersgläubiger oder Nichtgläubiger, es verneint gleichzeitig die Pluralität der gelebten Spiritualität unter den Christen. Vielleicht möchten manche unter ihnen nicht vorrangig dem Tod am Kreuze gedenken, sondern die Erlösung von Erbsünde und Schuld feiern? Vielleicht sogar mit Musik und Tanz?

Und wem steht es zu, darüber zu urteilen? Mir nicht und ganz gewiss nicht diesem Staat. Herr Kirchenrat Witzenbacher mag mit seiner Aussage über nötige Entschleunigung in dieser unserer Gesellschaft gar nicht falsch liegen - aber doch nicht von oben herab diktiert. An meinen Bedürfnissen orientiert sich dieser Staat jedenfalls recht selten (dann gäbe es ihn hochwahrscheinlich gar nicht) und deswegen hätte man so ein nonsense-Argument ruhig mal stecken lassen können. Die Welt wird durch weniger Reglementationswut nicht unter gehen. Sie tat es nicht nach Einführung des Frauenwahlrechts, nach dem Ende der Strafverfolgung von Abtreibungen, nach Aufhebung der Strafbarkeit homosexueller Handlungen, nach Gleichstellung ehelicher und unehelicher (was für eine abwertende Kategorie für Menschen) Kinder und sie würde es auch nicht, wenn Deutschland endlich mal die Präimplantationsdiagnostik erlauben würde (daran glaube ich).

Freiheit dem Glauben, aber auch Freiheit dem Unglauben.

Und vor allem: Freiheit dem Leben.

P.S. Die Sprache dieses Posts ist ob des sensiblen Themas arg zurück gefahren (vgl. vorangehenden Post). Jemanden zu verletzten lag nicht in meiner Intention - Zweifel und Nachdenken sind für mich aber Motor des Seins.

4 Kommentare:

  1. Als Philosophiestudentin finde ich das sehr schön, was du da geschrieben hast ;D

    Ich kellnere ja und ich muss zugeben, ich fand es gestern schon irgendwie angenehmer als sonst. Irgendwie ruhiger und gelassener. Ich bin einfach kein Freund davon, dass man sich regelmäßig die Birne wegballert. Aber das ist nur meine persönliche Präferenz, das reicht als Argument nicht. Im Endeffekt muss es den Leuten selbst überlassen sein, so etwas kann/sollte man nicht gesetzlich anordnen.
    Vernunft spielt da eine große Rolle und erzwingen lässt die sich nicht.

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  2. Toller Beitrag. Ich habe auch den Kant im Kopf, für mich ebenfalls eine sehr logische Ethik. Sie sorgt jedenfalls für Vieles in meinem Leben, für das ich dann als "zu nett", "zu sensibel" und "zu übertrieben" wahrgenommen werde; und das nur, weil ich nicht in aller erster Linie immer und überall an mich und meinen Vorteil denke. Krank oder? Aber die Gesellschaft besteht anscheinend nur noch aus egozentrischen Menschen.
    Es gibt ja noch eine Tradition; am Karfreitag wird kein Fleisch verzehrt. Prinzipiell finde ich das ja gut; nur lese ich z.Z. auf manchen Blogs, dass es dann eben in vielen Familien Fisch und Meeresfrüchte gibt. Ich schreibe dann immer dezent drunter, dass Fisch ja auch Fleisch wäre und bekomme dann immer gleich die volle Breitseite ab :-(

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  3. Danke schön.

    Resthirnwegballern finde ich persönlich auch nicht toll, unabhängig von Feiertagen. Etwas mehr Ruhe und Gelassenheit wäre schön, deswegen treibe ich mich als Atheist auch gerne mal in Kirchen rum, weil ich die Athmosphäre mag.

    Ja, die Fisch und Fleisch-Diskussion kenne ich. Was sollen die armen Leute denn auch noch essen, wenn du ihnen auch noch den Fisch nehmen willst.

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  4. Nun, jedes Jahr (nicht nur zu Ostern) versuchen uns die Vertreter der kirchlichen Art verstärkt in die Kapellen zu lotsen - was natürlich besser funktioniert, wenn alle anderen Veranstaltungen verboten werden. Klappt natürlich nicht; daher ist dieses wiederkehrende Gejammere so dumm wie durchsichtig. Und der Tanz (um das (Oster-)Feuer) ist ein sehr alter und heidnischer Brauch, der nun wieder verstärkt von den Kirchen adaptiert wird und als christlicher ausgegeben werden soll. Das glaubt auch nur, wer auf diese Art selig werden möchte ...

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